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Nach den Rechten geschaut
JFF Institut für Medienpädagogik
Nach den Rechten geschaut
JFF Institut für Medienpädagogik
17. Juli 2023
We’re almost in an era where the mainstreaming of extremist ideas has become easier and quicker and there is a bigger demand to fill a vacancy of frustration, anxiety, loneliness […]
Andrew Tate ist die vielleicht polarisierendste Person im Internet. Vor allem mit frauenfeindlichen und homophoben Aussagen hält er seine Community bei Laune. Eine Berühmtheit, aber nicht nach den Kriterien der traditionellen Medienwelt.
Internetbekannt wurde der ehemalige Kickboxer 2016, als er aus der britischen Big-Brother-Show herausgeworfen wurde, nachdem ein Video veröffentlicht wurde, in dem er eine Frau mit einem Gürtel schlägt. Seitdem hat sich Tate gezielt sein Bild als „Alpha-Mann“ und Frauenfeind aufgebaut: Sein Erfolgsmantra predigt harte Arbeit, Entschlossenheit und „keine Ausflüchte – mit dem Ziel ein „Alpha-Male“ bzw. ein „Top-G“ zu werden“ – was für seine Follower, die hauptsächlich junge Männer sind, erstmal sehr verlockend klingt. Dieser Artikel von „der Freitag“ schreibt, wohin das führen kann.
Denn das ist nur die Spitze des Eisbergs: Über 13 Milliarden Mal wurden Videos mit dem Hashtag #AndrewTate bei TikTok angeklickt. Tate nutzt gezielt den Algorithmus, der seinen kontroversen Aussagen mehr Aufmerksamkeit schenkt. Nach dem Motto „bad publicity is still publicity“ schaffte es Tate, auch in den größeren Medien für Schlagzeilen zu sorgen. Manche seiner Aussagen sind so skurril, dass sie wie „Meme Baiting“ funktionieren, also darauf angelegt sind, virale Wellen zu schlagen, um dann von anderen wiedergekäut zu werden.
Die meisten seiner Videos handeln von „der Matrix“. Wie im bekannten Film „Matrix“ würden wir fremdbestimmt in einer Scheinwelt leben. Eine gigantische liberale Verschwörung, die angeblich Frauen bevorzugt und Männer weichspült. „Holt euch zurück, was euch gehört“ – Dieser Narzissmus ist für junge Männer verlockend in einer Zeit, in der die Mainstream-Kultur („woke“ sein) von ihnen verlangt, dass sie ihre Privilegien aus Gründen hinterfragen sollen, die sie nicht ganz verstehen. Und genau für diese verunsicherte Zielgruppe bietet Tate sein „Life-Coaching“ an.
Viele junge Männer lassen sich von Tate beeinflussen und benutzen. Denn genau das ist sein Business-Modell: Seine provokanten Aussagen werden von zahlreichen Fans und Followern geteilt und mit einem Link zu Tates Coaching-Plattform „Hustlers University“ versehen (mehr dazu). Das nennt sich „Affiliate-Marketing“: Wenn sich jemand mit diesem Link bei Tates Plattform anmeldet, bekommt die Person, die das Video gemacht hat, einen Teil der Abogebühren.
Dass seine Profile derzeit bei den großen Social-Media-Plattformen gesperrt sind, zementierte seinen Status als „Retter der Männlichkeit“ für seine Follower nur noch mehr.
Nach einer Untersuchungshaft in Rumänien, aufgrund der Anklage seiner sexuellen Ausbeutung von Frauen, ist der Influencer seit einigen Monaten im Hausarrest.
16. Juni 2023
Fakten sind hartnäckig, aber Statistiken sind nachgiebiger.
„Studie: Ein Drittel der Männer findet Gewalt gegen Frau akzeptabel“: Diese aktuelle Schlagzeile des MDR sah man auch ähnlich in vielen anderen großen Medien, von „Spiegel online“ bis zur „Tagesschau“. In den ARD-„Tagesthemen“ am Sonntagabend war die Meldung sogar der Aufmacher, also das erste Thema der Sendung.
Dahinter steckte die Erhebung „Spannungsfeld Männlichkeit“ der Hilfsorganisation Plan International, die diese als „repräsentative Umfrage“ veröffentlicht hatte. Befragt worden waren knapp 1.000 Männer und 1.000 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren zu verschiedenen Aspekten von Männlichkeit, zum Beispiel der Aufgabenverteilung im Haushalt und dem Umgang mit den eigenen Gefühlen. Dazu hatten sie einen längeren Online-Fragebogen ausgefüllt.
Laut einigen Expert:innen, u. a. Katharina Schüller, Vorstandsmitglied der Deutschen Statistischen Gesellschaft, gibt es einige Kritikpunkte, die die Aussage der Umfrage schmälern – außerdem würden sich die Ergebnisse nicht mit ähnlichen anderen Studien decken.
Beispielsweise wären Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen der befragten Personen und ob sie damit repräsentativ für die deutsche Bevölkerung stehen, nicht berücksichtigt worden (weitere Punkte auch in diesem ZDF-Artikel zu lesen). Allgemein sei bei Onlinebefragungen wegen der Panels eine grundlegende Verzerrung in den Daten sehr wahrscheinlich. Ein Panel bezeichnet die Menschengruppe, auf die für Befragungen zurückgegriffen wird.
Die Daten lieferte ein Marktforschungsinstitut aus Düsseldorf, das sich auf Online-Befragungen spezialisiert hat. Es hat ein eigenes Panel, die laut eigener Webseite per Online-Werbung, Mail-Listen, Zeitungsannoncen und Telefon angeworben werden. Für ihre Teilnahme bekämen die Befragten eine kleine Geldsumme.
Das Wort „Studie“ ist zum Sammelbegriff geworden. Sobald zu einem Thema irgendwelche Auswertungen vorliegen, werden sie in manchen Medien schon als „Studie“ hochgeachtet – selbst wenn es nur Zahlen aus einer Online-Umfrage mit wenigen Hundert Teilnehmenden sind. Im Zweifelsfall sollten Medien also differenzieren, z. B. von Umfragen sprechen und Auftraggeber:innen immer transparent machen. Alle möglichen Ergebnisse pauschal als Studien zu labeln, verschleiert, wie aussagekräftig sie tatsächlich sind – und wertet echte Forschung, die oft sehr aufwendig und zeitintensiv ist, ab.
Der Organisation Plan International ist es somit gelungen, einem Thema viel mediale Öffentlichkeit zu verschaffen: mit einer – im Vergleich zu soziologischen, wissenschaftlichen Studien – relativ kleinen Umfrage. Allerdings heißt das nicht, dass die Ergebnisse der Studie völlig missachtet werden sollten. Man muss sie nur mit mehr Bedacht und einer kritischer Haltung aufnehmen – eine kurze Rechereche zur Methodik hilft meistens schonmal sehr viel weiter.
17. Mai 2023
Ich glaube, wir müssen uns daran gewöhnen, dass man eigentlich keinem Bild im Internet trauen kann.
Programme, wie Midjourney, DALL-E und DeepAI, die mithilfe künstlicher Intelligenz fotorealistische Bilder generieren, haben zu einer Flut von Fälschungen in den sozialen Medien geführt.
Noch nie zuvor war es so einfach, täuschend echte Bilder zu generieren. Alles, was benötigt wird, ist eine Internetverbindung und ein Tool, das auf künstlicher Intelligenz basiert. Innerhalb von Sekunden können realistisch wirkende Bilder erstellt werden, die von vielen Menschen als authentisch wahrgenommen werden. Diese Bilder verbreiten sich dann rasend schnell in den sozialen Netzwerken und werden deswegen oft gezielt für Desinformationszwecke verwendet.
Hier sind einige Tipps, die helfen, KI-generierte Bilder zu erkennen (Stand April 2023):
1. Auf manchen KI-Bildern sind einzelne Körperteile wie Kopf oder Füße unverhältnismäßig groß. Deswegen sollte man immer auf die Körperproportionen achten.
2. Bestimmmt Details, wie etwa Hände, Brillengestell, Zähne und Ohren zeigen häufig Fehler, z. B. einen sechsten Finger oder eine Deformierung
3. Manchmal enthält der Hintergrund unrealisitische Elemnte oder Klone. Man erkennt diese Unstimmigkeiten besser, wenn man genauer hinschaut oder ranzoomt.
Das Beste, was man machen kann, ist eine Bilderrückwärtssuche, z.B. über Google Images, Yandex oder Tineye zu starten. Vor allem bei Bildern, die kontroverse oder emotionalisierende Inhalte haben, lohnt es sich die Herkunft des Bildes zu überprüfen. Meist gibt es schon Faktenchecker-Seiten oder ähnliches, die die Echtheit solcher Bilder überprüft haben. Falls ihr mehr zum Erkennen von KI-Bildern lernen wollt, könnt ihr euch zusätzlich noch dieses Video der DW anschauen.
Es gibt derzeit auch schon KI-trainierte Programme, die KI-generierte Bilder erkennen sollen, z. B. Hugging Face – ihre Nutzung ist aber (noch) von Expert*innen abzuraten, da die Ergebnisse zu unsicher sind. Beispielsweise werden echte Bilder oft als Fake eingestuft.
Mit den Fortschritten in der KI-Technologie wird es immer schwieriger, zwischen echten und generierten Bildern zu unterscheiden. Es ist wahrscheinlich, dass ein Wettlauf zwischen der Entwicklung von KI-generierten Bildern und der Erkennungstechnologie entstehen wird. Für uns heißt das: Wir müssen viel öfter und konsequenter Inhalte hinterfragen und kritisch betrachten.
17. April 2023
Freedom of the press is not just important to democracy, it is democracy.
Weltweit sind die Unabhängigkeit von Medien und die Sicherheit von Journalist:innen in Gefahr. Anhaltende Krisen und Konflikte, wie etwa die Rückeroberung Afghanistans, der Militärputsch in Myanmar und der russische Angriffskrieg schränken die Pressefreiheit weltweit weiterhin ein. Leider ist das nur die Spitze des Eisbergs.
Die Jahresbilanz der internationalen Organisation „Reporter Ohne Grenzen“ zeigt, dass die Zahl inhaftierter Medienschaffender in 2022 ein Rekordhoch erreicht hat. Ende 2022 saßen mindestens 533 Journalist:innen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis – so viele wie nie zuvor. Dem UNESCO-Bericht zu weltweiten Trends in der Meinungsfreiheit und Medienentwicklung 2021/22 zufolge, wurden bis zu 400 Journalist:innen im Zeitraum von 2016 bis 2020 aufgrund ihres Berufs getötet.
Der 3. Mai macht auf die Bedeutung einer freien Presse für Demokratie, Menschenrechte und Frieden aufmerksam. Der Tag erinnert Regierungen an ihre Verpflichtungen zur Pressefreheit: Es gilt, die Pressefreiheit aktiv zu fördern, um die Sicherheit sowie die Unabhängigkeit der Medien und Medienschaffenden aufrechtzuhalten. Nur so kann die Informationsfreiheit für alle gewährleistet werden.
Viele Medien- und Bildungsinstitutionen in Deutschland haben sich zum bundesweiten Bündnis „Journalismus macht Schule„ zusammengeschlossen und führen seitdem jedes Jahr zum internationalen Tag der Pressefreiheit, Schülermedientage in verschiedenen Bundesländern durch.
Auch Thüringen ist dabei: Die Thüringer Landesmedienanstalt ruft vom 02. bis 05. Mai erneut zu den Aktionstagen „WIR SIND DAS ORIGINAL! – Aktionstage gegen Fake News, Desinformation und Verschwörungstheorien“ auf. Jeder Beitrag und jede Mitwirkung hilft, um auf die Thematik aufmerksam zu machen – Faktenforschen ist auch mit dabei!
15. März 2023
I do not intentionally spread misinformation.
Seit Wochen ist der Chatbot ChatGPT in aller Munde. Gerade Pädagog:innen wird unterstellt, in Anbetracht der Möglichkeiten der KI panisch auf ihre Schüler:innen, Studierende etc. zu blicken. Das Sprachmodell kann nämlich potentiell Hausarbeiten, Testantworten oder sogar kreative Texte verfassen. (Mehr zu der Entstehung und Funktion hier). Was er jedoch nicht leistet sind aktuelle Quellen – und Quellenangaben.
Natürlich können und sollten Pädagog:innen auch andere Formen der Wissensvertiefung und -abfrage nutzen (und falsch oder nicht zitierte Quellen werden schon seit jeher als Betrugsversuche geahndet). Es eröffnet sich für Fachkräfte hier jedoch eine Möglichkeit, lebensnah und anhand aktueller Beispielen zu thematisieren, wem und was wir vertrauen. Die Texte, die der Chatbot schreibt, wirken formell und inhaltlich hochwertig, sind jedoch ohne Belege versehen. Bittet man den Bot um Literaturlisten stellt man schnell wieder fest, wieviel Unsinn im Internet steht und dass tolle Studientitel oftmals ins Nichts führen.
Der Bot lernt permanent durch die Anfragen und das Feedback seiner Nutzer:innen (deren Anfragen und Interaktionen gespeichert und ausgewertet werden). Auch so strukturiert und bewertet er die enorme Masse an Seiten und Informationen, mit denen er gespeist wurde. Anhand welcher Kriterien wir vertrauenswürdige von irre-leitenden Quellen überprüfen ist ein pädagogischer Ansatz, mit dem die AI auch im Unterricht gewinnbringend thematisiert werden kann. Abgesehen davon, dass es auch viel Spaß machen kann, gemeinsam dem Bot Fragen und Aufgaben zu stellen!