GESCHICHTEN AUS OST & WEST – MEDIEN- UND MEINUNGSBILDUNG HIER UND DORT

Zwei Tage nach der 31. Begehung des Festaktes zur Wiedervereinigung haben die Projekte #dubisthier der Bücherhallen Hamburg und faktenforschen.de der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt geladen, um über längst vergangene Grenzen hinweg den Blick auf vier außergewöhnliche Biographien zu richten.

Tarek Barkouni, Mandy Tröger, Abini Zöllner und Markus Decker erzählten von ihren Erfahrungen in Ost und West und was sie dabei besonders geprägt hat. Was alle dabei verbindet, ist die Auseinandersetzung mit Medien und Journalismus und das leichte Kribbeln in den Fingern, wenn es um den Osten und den Westen geht.

Die Veranstaltung war ein angeleitetes Gespräch mit und zwischen den Gästen mit dem Ziel, allen Teilnehmenden einen Blick über den innerdeutschen Tellerrand zu ermöglichen. Auch für Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum an unsere vier Gäste gab es Platz.

Hören Sie sich hier zunächst die Begrüßung und Vorstellung der Veranstaltung an, moderiert von Katharina Osterhammer:

Die Illustrationen des Graphic Recordings von Ramona Seidl können Sie sich in unserer Galerie anschauen.

Abini Zöllner

„Manche Journalisten verstehen das miss. Man ist als allererstes Dienstleister. Man muss vor allen Dingen Texte immer dolmetschen und übersetzen“

Journalistin, Dozentin und Autorin – wurde in Ostberlin als Tochter einer deutschen Chinesisch-Dolmetscherin und eines nigerianischen Journalisten geboren. Ihre Eltern (die Mutter: Jüdin, der Vater: Yoruba) ließen sie protestantisch taufen und mit drei Religionen groß werden. Sie arbeitete als Korrespondentin bei der Jungen Welt und seit 1991 bei der Berliner Zeitung.

Zuerst im Hauptstadt-Ressort, dann 20 Jahre lang im Feuilleton und zuletzt als Leitende Redakteurin in der Chefredaktion. Sie schrieb mehrere Bücher, darunter „Schokoladenkind“ – ein Bestseller, der ein Stück DDR-Geschichte anhand ihrer Familie beschreibt. Ihre jüngste Forschungsarbeit (2020/2021) ist Teil des Rassismusmonitors für das DeZIM-Institut. Derzeit arbeitet sie im Writers Team für Disney+ an der ersten deutschen Streaming-Serie mit einer schwarzen Hauptrolle. Ihr Traum wäre eine Task Force „Forensische Linguistik“, damit Sprache wieder mehr sensibilisiert, statt radikalisiert.

Hier können Sie sich anhören, wie Abini Zöllner von ihrer persönlichen Ost-Vergangenheit berichtet:

Markus Decker

„(…) insofern als ich sehr schnell feststellte, dass die Erfahrungen, die ich in Sachsen-Anhalt gemacht habe, in Westdeutschland niemanden interessiert haben. So hart muss man das sagen.“

Jahrgang 1964, Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Romanistik in Münster und Marburg, ab 1994 Redakteur in Lutherstadt Wittenberg und Halle.

Seit 2001 Berliner Parlamentskorrespondent für die Mitteldeutsche Zeitung und den Kölner Stadtanzeiger, ab 2012 auch für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau, seit 2018 beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 2006 erhielt Markus Decker den Journalistenpreis Münsterland für einen autobiografischen Text über seine Heimatstadt. Er lebt in Berlin.

Im Audio-Mitschnitt stellt Markus Decker sich und seinen Weg nach Ost-Deutschland vor:

Tarek Barkouni

„(…) dass die Leute, die auf mich reagieren, eher Ostdeutsche sind. Und wo ganz oft herauskommt, dass diese Menschen sich nicht repräsentiert fühlen, sich nicht dargestellt fühlen und sehr, sehr schlecht dargestellt fühlen und in mir eine Art Korrektur sehen.“

Als Ostdeutschlandreporter von Krautreporter schreibt Tarek Barkouni über die östlichen Bundesländer, wie sie sonst wenig auftauchen.

Dabei geht es nicht darum, Probleme zu verschweigen, sondern Hintergründe zu finden und Verständnis zu schaffen, denn mit Klischees kommt Deutschland 30 Jahre nach der Wende auch nicht weiter. Als geborener Westdeutscher sieht Tarek Barkouni seine Rolle oft als Zuhörer, auch wenn er nun seit 12 Jahren im Osten lebt. Eins hat er aber schnell gelernt: DEN Osten gibt es nicht.

Hören Sie sich hier die persönliche West-Ost Geschichte und den journalistischen Werdegang von Tarek Barkouni an:

Mandy Tröger

„(…) aber dann wirklich mal tiefer zu gehen und sich anzugucken: was ist denn genau vor 30 Jahren passiert? Was gab es an Reformpotenzial und Reforminitiativen die dann platt gemacht wurden oder keine Chancen hatten, gerade im Medien-und Pressebereich? Da könnte man noch mehr nachhaken und müsste das auch tun.“

Mandy Tröger (PhD) ist Ost-Berlinerin, Jahrgang 1980. Sie studierte an der Universität Erfurt (BA) und der Universität von Amsterdam (MA) und arbeitete danach als Nachrichtenredakteurin. 2009 ging Sie an das Institute of Communications Research der Universität Illinois (USA) und wurde dort mit einer Dissertation zur Transformation der DDR-Presse 2018 promoviert.

Seit Dezember 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in deutsch-deutscher Mediengeschichte. Seit Juli 2021 arbeitet sie außerdem als Kolumnistin für die Berliner Zeitung.

Im folgenden Mitschnitt erzählt Mandy Tröger’s von ihrem persönlichen Werdegang und ihrer Forschung:

Diskussion

Unsere Moderatorin Katharina Osterhammer führt im Anschluss durch die Diskussion mit Fragen, die Sie in unserer Mediathek unten entweder im Ganzen anhören oder nach Interesse auswählen können.

Im ersten Teil geht es hierbei um die Frage, ob nur Ostdeutsche über Ostdeutschland berichten sollten oder wie die Berichterstattung über Ostdeutschland generell aussehen kann wenn es um die Herkunft der Journalist*innen geht. (Teil1)

Im Anschluss geht es darum, inwiefern Journalismus insgesamt zur Meinungsbildung beitragen kann. Wie sehen hier die aktuellen oder damaligen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland aus? Und wo liegt hierbei die Verantwortung des Journalismus inwiefern die Meinungsbildung im Sinne der Wiedervereinigung geprägt werden sollte? (Teil2)

Zuletzt interessierte unsere Moderatorin folgende Problematik: Der Osten wird oft auf Pegida oder die AFD reduziert. Wie aber sollte man beispielsweise über die AFD speziell im Osten berichten, wenn es nunmal so ist, dass die AFD in ehemals DDR-Bundesländern die größten Wahlerfolge feiert? (Teil3)

Doch auch unser Publikum hatte spannende Fragen bereit. Zum einen, ob die Unausgewogenheit hinsichtlich der Berichterstattung nicht auch in die andere Richtung geht. Sprich, wird vom Osten nicht aus unausgewogen über den Westen berichtet? Die letzte Frage richtete sich an Abini Zöllner und ihre Einschätzung zum Magazin „Stern“. Katharina Osterhammer brachte den gelungenen Abend zum Abschluss mit einer Danksagung an unsere Gäste. (Teil4)

Teil 1: Dürfen nur Ostdeutsche über Ostdeutschland berichten?

Teil 2: Meinungsbildung durch Journalismus, Unterschiede zwischen Ost und West & Verantwortung von Journalismus

Teil 3: Wie sollte man über die AFD speziell im Osten berichten?

Teil 4: Publikums-Fragen, Danksagung & Verabschiedung

Moderation & Illustration

Katharina Osterhammer

Moderation

1998 am Chiemsee geboren, im fränkischen Coburg aufgewachsen und schließlich nach zwei Auslandsjahren in Nepal und Südosteuropa für das Studium der Staatswissenschaften und der Philosophie nach Erfurt gekommen.

Von Kindesbeinen an begeistert vom Journalismus und dem, was er leisten kann. Als Kind “Reporterin gespielt”, indem Familienmitglieder mit Kochlöffeln als Mikrofon interviewt wurden. Inzwischen als freie Mitarbeiterin und Praktikantin bei Lokalmagazinen und -zeitungen in Coburg und Erfurt sowie verschiedenen öffentlich-rechtlichen Medien den Kochlöffel gegen echte Mikrofone, Stift und Laptop eingetauscht. Ab Herbst 2021 Masterstudentin der Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients in Erfurt und Beirut.

Ramona Seidl

Illustration

Ramona Seidl ist Grafikdesignerin und Zeichnerin.

Ursprünglich aus Bayern, lebt sie seit ihrem Studium der Visuellen Kommunikation und Visuellen Kulturen in Thüringen.

Neben anderen Projekten ist sie an der Organisation des Graphit Festivals beteiligt.

Ein Dankeschön an unsere Partner:innen

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei unserer Trägerin, der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt bedanken. Bibliotheken werden leider noch zu wenig als Orte moderner Bildung betrachtet. Digitale Meinungsbildung ist ein gesamtgesellschaftliches Thema und deshalb für die Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt ein Herzensprojekt. Die Zusammenarbeit mit Direktion und Bibliothekar:innen ist stets von inspirierendem Austausch und großer Wertschätzung geprägt.

Bedanken möchten wir uns ebenso herzlich bei dem Team des Landesfilmdienst Thüringen e. V. – Zentrum für Medienkompetenz und Service. Durch die diversen Expertisen in den Projekt-Teams des Kooperationspartners werden wir inhaltlich, technisch und in jeder Umsetzung von Veranstaltungen unterstützt.

Einen großen Dank möchten wir auch der Kulturstiftung des Bundes aussprechen, die uns im Fonds „hochdrei – Stadtbibliotheken verändern“ überhaupt erst die Existenzgrundlage gibt. Ohne ihre Finanzierung wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Mit einem nicht unerheblichen Teil der Finanzierung ist außerdem die Stadt Erfurt beteiligt, wofür wir uns herzlich bedanken. Dank der gemeinsamen Finanzierung können alle Teilnehmenden von einem kostenfreien Angebot profitieren.

Ganz entscheidend geprägt ist die Ästhetik von faktenforschen.de durch das liebevoll gestaltete Design unserer Illustratorin von Donner&Friends und von der Arbeit unseres Webdesigners von Studio Schmidtchen. Ganz lieben Dank an dieser Stelle für die Gestaltung und die viele Arbeit.

Schauen Sie sich auch unsere anderen Partner:innen auf der Info-Seite an. Nur durch die gemeinsame Arbeit aller, kann sich das Projekt entfalten und wachsen. Ein herzliches Dankeschön an alle Mitwirkenden.

Ganz wichtig sind uns folgende Grundsätze unserer Netiquette*:

Ein konstruktiver Meinungsaustausch.
Eine tolerante Haltung gegenüber anderen Meinungen.
Ein wertschätzender Umgang in der eigenen Sprache.

Haben Sie Fragen, Feedback oder Verbesserungsvorschläge? Oder wurde Ihnen mit Hass oder Diskriminierung begegnet? Dann wenden Sie sich bitte an das Team – faktenforschen.de – per mail@faktenforschen.de – Wir sind für Sie da und vermitteln gerne weitere Kontakte zur Unterstützung.

*Netiquette = Etiquette im Netz wahren = Angemessene und respektvolle Sprache in der digitalen Kommunikation.